Selahattin Erdem, einer von 18 Angeklagten im Düsseldorfer Prozess Anfang der 1990er Jahre, beschreibt anhand der Vorgeschichte die tatsächliche Ungültigkeit des vor dreißig Jahren erlassenen PKK-Verbots in Deutschland.
Ich schreibe diese Zeilen als Angeklagter im berühmten Düsseldorfer Prozess, der vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte freigesprochen wurde. Um das vom deutschen Innenministerium am 26. November 1993 erlassene PKK-Verbot angemessen bekämpfen zu können, ist es notwendig, genau zu wissen, wo und warum diese Entscheidung getroffen wurde. Sie hat nichts mit dem Verbot einer terroristischen Vereinigung zu tun. Die PKK wurde 2001 in die Liste terroristischer Organisationen der Europäischen Union aufgenommen, also in der Zeit des Waffenstillstands, als Rêber Apo [Abdullah Öcalan] erfolgreich gegen das Folter- und Isolationssystem Imrali kämpfte.
Bekanntlich begannen die Verhaftungen im Düsseldorfer Prozess im Februar 1988 und das Verfahren wurde am 7. April 1994 abgeschlossen. Am 15. August 1984 begann der Guerillakrieg in Kurdistan mit den Aktionen in Eruh und Şemdinli. Die damalige türkische Regierung brachte diese Situation im Juni 1985 auf die Tagesordnung der NATO und bat um Unterstützung gemäß Artikel 5 des NATO-Vertrags. Von diesem Zeitpunkt an übernahm die NATO direkt die Führung des Krieges in Kurdistan.
Am 28. Februar 1986 wurde der schwedische Ministerpräsident Olof Palme bei einem Attentat in Stockholm ermordet. Der türkische Staat und seine Presse starteten sofort eine intensive Propaganda und diplomatische Aktivitäten, um diesen Vorfall der PKK anzulasten. Daraufhin setzten sich im Sommer 1986 die Nachrichtendienste der europäischen Staaten zusammen und begannen eine „PKK-Untersuchung“. Sie beschlossen, die Ergebnisse dieser Ermittlungen im Rahmen der Planungen für den im Juli 1987 ausgerufenen Ausnahmezustand zu einer Anklage zu machen. Natürlich übertrug man diese Aufgabe der Bundesrepublik Deutschland. Denn zu diesem Zeitpunkt befand sich das Türkei-Referat der NATO in Deutschland, und der Putsch vom 12. September 1980 wurde von Deutschland aus gesteuert.
In diesem Rahmen wurden zum einen die Ermittlungen ausgeweitet und vertieft, zum anderen wurde ein Sondergericht gebaut, wofür acht Millionen Mark ausgegeben wurden. Tausende von Menschen arbeiteten nun für dieses Gericht. Es wurden 360 Aktenordner mit 40.000 Seiten an Dokumenten beschafft, die von den Mitarbeitenden geprüft, übersetzt und geordnet werden mussten. Nachdem dieses Verfahren abgeschlossen war, begannen im Februar 1988 die Verhaftungen. Im Herbst 1989 begann der Prozess.
Ich werde nicht im Detail beschreiben, was in diesem Prozess geschah. Das ist nicht mein Ziel. Es genügt, einige Punkte zu erwähnen, damit wir uns mit ihnen vertraut machen können. Die Eröffnung des betreffenden Verfahrens und die Verhaftungen basierten hauptsächlich auf dem Palme-Mord und alle geheimen Ermittlungen wurden auf dieser Grundlage durchgeführt. Trotz aller Bemühungen und des Einsatzes von Überläufern als Zeugen ergaben die durchgeführten Ermittlungen und Nachforschungen jedoch keinen Zusammenhang mit dem Mord an Olof Palme. Das brachte diejenigen, die den Fall eröffneten und leiteten, in Schwierigkeiten. Um diese Situation zu verschleiern, führten sie über die Medien eine intensive Diffamierungskampagne in der deutschen und europäischen Öffentlichkeit durch.
Es gelang ihnen jedoch nicht, diese Situation lange zu verschleiern. Bald wurde klar, dass der Fall auf Erfindungen und Verleumdungen beruhte. Ab Anfang 1990 entwickelten sich Volksaufstände in Kurdistan und die Wahrnehmung der PKK als eine Bewegung, die einen nationalen Befreiungskampf führt, verbreitete sich allmählich in der deutschen Öffentlichkeit. Die Verleumdungskampagne gegen die in diesem Fall Verhafteten hatte daher keine große Wirkung. All das belastete diejenigen, die den Prozess aus rein ideologischen und politischen Gründen eröffnet hatten und führten.
Eigentlich hätte der Prozess sich über Jahrzehnte hinziehen können, denn es wurden mehr als 40.000 Seiten an Dokumenten gesammelt. Die Übersetzung, Prüfung und Beurteilung dieser Dokumente stellte eine unüberwindbare Situation dar. Die vermeintlichen Zeugen der Anklage brachten das Gericht in eine peinliche Situation. Sie sollten falsche Aussagen machen, und diese Situation wurde hinterfragt und aufgedeckt. Die Ankläger hatten darauf gehofft, unter den Verhafteten Kronzeugen zu gewinnen. Auf diese Weise wollten sie falsche Informationen über die PKK als Zeugenaussagen präsentieren und gleichzeitig die PKK spalten und schwächen. Diese Rechnung ging jedoch von Anfang an nicht auf. Wer auch immer verhaftet wurde, leistete Widerstand. Die deutschen Staatsanwälte, die als „Kurdenjäger“ bezeichnet wurden, verzweifelten. Bei einigen der Verhafteten konnten sie nicht einmal die Identität klären.
Es war unser Verhalten, das diese Situation veränderte. Aus bestimmten Gründen protestierten wir Anfang 1993 gegen das Gericht und erklärten, dass wir es nicht anerkennen. Daraufhin wurden wir von den Verhandlungen ausgeschlossen und nahmen ungefähr neun Monate nicht daran teil. In dieser Zeit wurden unsere Abwesenheit und das mangelnde Eingreifen unserer Anwälte genutzt, um alle vermeintlichen Beweismittel einzubringen. Es war ein Fehlverhalten unsererseits, das auf einem falschen Verständnis beruhte.
Als wir später zu den Verhandlungen zurückkehrten, stellten wir fest, dass die Unterlagen weitgehend geprüft worden waren und das Ende nahe war. Die Situation hatte sich jedoch viel mehr zu unseren Gunsten entwickelt. Obwohl alle Unterlagen ausgewertet und die so genannten Zeugen vernommen worden waren, wurden keine ernsthaften Informationen und Erkenntnisse gefunden, die uns belasten könnten und für eine Verurteilung ausreichten. Das führte zu einer sehr beunruhigenden Situation sowohl für die Staatsanwälte als auch für die Richter. Sie baten daraufhin um ein gemeinsames Treffen mit den Anwälten, um „eine vernünftige Lösung“ zu finden.
Als die Anwälte diese Bitte an uns herantrugen, stimmten wir zu. Eines Tages hielten die Richter, die Anwälte und wir eine gemeinsame Sitzung ab. Nach vielen Gesprächen und Diskussionen wurde uns klar, was sie von uns wollten. Wir sollte einige Straftaten zugeben, um verurteilt zu werden. Kurz gesagt, sie meinten: „So können wir euch nicht verurteilen. Wir können euch aber auch nicht ungestraft davonkommen lassen. Ihr gebt einige Straftaten zu. Wir werden euch entsprechend verurteilen und sofort freilassen.“ Sie wollten also, dass wir Straftaten zugeben, um dafür aus dem Gefängnis entlassen zu werden. Sie haben uns sechs Jahre lang unschuldig inhaftiert, und während sie selbst im Begriff waren, ihre eigene Schuld zu gestehen, wollten sie sich auf der Grundlage unseres Schuldbekenntnisses retten. Ohne unser Geständnis einer konkreten Straftat konnten sie uns nicht verurteilen.
Wir haben diese Situation bewertet und ihre Forderungen natürlich abgelehnt. Wir sagten: „Wir sind unschuldig und ihr müsst uns sowieso freilassen, warum sollten wir also Verbrechen zugeben, die wir nicht begangen haben?“ Weil das deutsche Recht nicht ausreichte, um uns zu bestrafen, haben sie daraufhin das Problem an die politische Institution herangetragen und die damalige Regierung gebeten, eine Resolution gegen die PKK zu verabschieden. Am 26. November 1993 beschloss der deutsche Bundesinnenminister auf Antrag der Regierung, dass die PKK eine kriminelle Vereinigung ist. Damit wurde die PKK rechtlich als kriminelle Vereinigung anerkannt und ihre Betätigung in Deutschland verboten. Auf dieser Grundlage verurteilte uns das Düsseldorfer Gericht wegen Mitgliedschaft in einer verbotenen kriminellen Vereinigung zu sechs Jahren Gefängnis, und wir waren bereits seit sechs Jahren in Haft. Das Urteil wurde am 7. April 1994 verkündet, und wir wurden freigelassen. Das PKK-Verbot vom 26. November 1993 wurde als nur erlassen, damit das Düsseldorfer Gericht uns verurteilen konnte.
Natürlich haben wir dieses Urteil sofort vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gebracht. Der EGMR prüfte den Fall und erließ am 5. Juli 2001 eine Entscheidung, in der er das Urteil des Düsseldorfer Gerichts aufhob und uns freisprach. Damit hat er den Beschluss des deutschen Bundesinnenministeriums vom 26. November 1993 tatsächlich für falsch befunden und verworfen. Denn das Düsseldorfer Gericht hatte uns gemäß dieser Verfügung Parlamentsbeschluss verurteilt.
Kurzum, aus rechtlicher Sicht hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte die „PKK-Verbots“-Verfügung vom 26. November 1993 verworfen. Aus gewissenhafter und politischer Sicht wurde in der Vergangenheit bereits tausendfach bewiesen, dass dieser Beschluss falsch war und dass es sich um eine falsche Entscheidung aus rein politischen und wirtschaftlichen Interessen handelte. Daher ist das PKK-Verbot rechtlich und politisch gesehen nichtig. Das sollten alle wissen. Der betreffende Beschluss muss als null und nichtig betrachtet und rechtlich und politisch bekämpft werden.
Die Meldung wurde aktualisiert: Die Verbotsverfügung wurde am 22. November 1993 vom damaligen Bundesinnenminister Manfred Kanther ausgefertigt und am 26. November 1993 im Bundesanzeiger veröffentlicht. Der Artikel erschien zuerst auf Türkisch bei Yeni Özgür Politika.
Der Artikel erschien zuerst auf Türkisch bei Yeni Özgür Politika.