Im Oktober werden in Koblenz, Celle und Frankfurt die „PKK-Verfahren“ gegen Sabri Çimen, Mehmet Çakas und Ali Özel fortgesetzt. Die Kurden sind nach Gesinnungsparagraf 129b angeklagt und befinden sich in Untersuchungshaft.
Im Oktober werden drei laufende PKK-Prozesse vor den Oberlandesgerichten (OLG) in Koblenz, Celle und Frankfurt fortgesetzt. Das teilt der Kölner Rechtshilfefonds für Kurdinnen und Kurden in Deutschland AZADÎ e.V. mit und informiert über die Verhandlungstermine. Bei den Angeklagten handelt es sich um die kurdischen Aktivisten Sabri Çimen, Mehmet Çakas und Ali Özel. Sie alle sind nach dem Gesinnungsparagrafen 129b angeklagt und befinden sich in Untersuchungshaft. AZADÎ ruft dazu auf, die Prozesse solidarisch zu begleiten. Nicht die Angeklagten seien zu verurteilen, sondern die Kriminalisierung kurdischer Strukturen und politisch Aktiver in Deutschland, fordert der Rechtshilfefonds.
Um folgende Prozesse geht es:
ÇIMEN Sabri, OLG Koblenz (Prozesseröffnung 31. August 2023)
Mittwoch, 4. Oktober
Dienstag, 17. Oktober
Mittwoch, 18. Oktober und
Dienstag, 31. Oktober
Mit Ausnahme des 4.10. beginnen die Verhandlungen um 9:30 Uhr vor dem OLG Koblenz, Regierungsstr. 7
ÇAKAS Mehmet, OLG Celle (Prozesseröffnung 4. September 2023)
Mittwoch, 4. Oktober, 10:00 Uhr
Dienstag, 10. Oktober, 10:00 und
Mittwoch, 11. Oktober, 9:30 Uhr
Die Verhandlungen finden vor dem OLG Celle, Kanzleistraße, statt.
ÖZEL Ali, OLG Frankfurt/M. (Prozesseröffnung 24. April 2023)
Freitag, 6. Oktober
Montag, 9. Oktober
Freitag, 13. Oktober
Mittwoch, 18. Oktober und
Freitag, 20. Oktober
Die Verhandlungen beginnen jeweils um 9:30 Uhr vor dem OLG Frankfurt/M. Saal II, Konrad-Adenauer-Str. 20.
„Kurdenverfolgung“ in Deutschland
Die Geschichte der Verfolgung politisch aktiver Kurdinnen und Kurden in Deutschland geht weit zurück. Schon Ende der 1980er Jahre wurde mit einem Mammutprozess gegen 20 kurdische Politiker vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht versucht, die gesamte PKK gestützt auf zweifelhafte Kronzeugenaussagen als terroristische Vereinigung zu brandmarken. Als dies scheiterte, verhängte das Bundesinnenministerium im November 1993 ein Betätigungsverbot gegen die PKK und weitere kurdische Vereinigungen. Als Vorwand dienten die zum Teil militanten Proteste von kurdischen Geflüchteten gegen die Bombardierung ganzer Städte durch die türkische Armee. Seitdem wurden hunderte Vereine und Wohnungen von der Polizei durchsucht, zahlreiche Demonstrationen und Veranstaltungen verboten und tausende Kurdinnen und Kurden wegen ihrer Solidarisierung mit dem Befreiungskampf zu Geld- und/oder Haftstrafen verurteilt.
Wie auch beim § 129a StGB (Mitgliedschaft in einer inländischen terroristischen Vereinigung) bedarf es beim § 129b StGB (Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung) nicht der Begehung konkreter Straftaten, um deswegen angeklagt zu werden. Eine mitgliedschaftliche Betätigung für die Organisation reicht aus. Für die strafrechtliche Verfolgung einer ausländischen Organisation gemäß § 129b StGB bedarf es einer sogenannten Verfolgungsermächtigung, die durch das Bundesministerium für Justiz erteilt wird. Eine generelle Ermächtigung hat das Ministerium 2011 ausgestellt, die bis heute automatisch gegen den Personenkreis politischer aktiver Kurd:innen angewendet wird. Jederzeit können auch Einzelermächtigungen erteilt werden.
Nach der Gesetzesbegründung sollen bei der Entscheidung, ob eine Verfolgungsermächtigung erteilt wird oder nicht, die außenpolitischen Interessen Deutschlands berücksichtigt werden. Das Ministerium soll dabei weiter in Betracht ziehen, ob die Bestrebungen der Vereinigung gegen die Grundwerte einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet und insgesamt als verwerflich anzusehen sind. Konkret bedeutet dies, dass die türkische Staatsräson Schutzobjekt des deutschen Strafrechts ist, da die Türkei als eine die Würde des Menschen achtende staatliche Ordnung angesehen wird. Nach Kenntnis von AZADÎ sind nach aktuellem Stand 65 Aktivist:innen von abgeschlossenen bzw. laufenden §129a/b-Verfahren betroffen; elf Kurden befinden sich derzeit in deutschen Gefängnissen in Straf- beziehungsweise Untersuchungshaft.
129b-Verfahren wegen DHKP-C-Mitgliedschaft
Nicht nur gegen die kurdische Befreiungsbewegung, sondern auch gegen Linke aus der Türkei wird fleißig die Keule des „Terrorparagraphen“ 129b geschwungen. AZADÎ informiert über Verhandlungstermine in solch einem Verfahren gegen Özgül Emre, Ihsan Çibelik und Serkan Küpeli. Ihnen wird vorgeworfen, das sogenannte Deutschland-Komitee für die Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front (DHKP-C) gebildet zu haben. Der Prozess war am 14. Juni 2023 eröffnet worden. Die weiteren Termine:
Mittwoch, 18.Oktober (bis 11:15 Uhr)
Mittwoch, 25. Oktober,
Donnerstag, 26. Oktober
Dienstag, 31. Oktober
Die Verhandlungen beginnen jeweils um 9:30 Uhr vor dem OLG Düsseldorf-Hamm, Kapellweg 36.
Titelbild: Offenes Treffen gegen Krieg und Militarisierung Stuttgart (OTKM)
Veröffentlich auf ANF.