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Erfolgreiche rechtliche Einhegung von Repression

Die Repression gegen kurdische Aktivist*innen und Organisationen in Deutschland hat eine lange Tradition. Auch nachdem die kurdischen Milizen YPG und YPJ in Nordsyrien die Einnahme der Stadt Kobanê durch den ›Islamischen Staat‹ verhindert und diesen effektiv in den letzten Jahren bekämpft und sich dadurch weltweit viel Sympathie erworben haben, blieb der Kurs der deutschen Behörden derselbe.

Noch nie wurden so viele Verfahren gegen vermeintliche oder tatsächliche Kader der PKK wegen § 129 b StGB geführt, wie in den letzten Jahren. Dieser ohnehin schon harte Kurs wurde jetzt nochmals verstärkt.

DAS RUNDSCHREIBEN DES BUNDESMINISTERIUMS DES INNERN

Mit Rundschreiben vom 2. März 2017 an sämtliche Sicherheitsbehörden hat das BMI eine sogenannte ›Neubewertung‹ der aktuell verwendeten Organisationsbezeichnungen und Kennzeichen der PKK vorgenommen. Ohne dies näher tatsachenbasiert zu begründen, wird in dem Schreiben ausgeführt, dass die PKK auf nicht unmittelbar vereinsbezogene Symbole ausweiche. Dazu sollen Fahnen mit dem Abbild Abdullah Öcalans auf gelbem oder grün-gelbem Grund gehören. Das BMI verweist weiter auf eine sechsseitige Anlage mit diversen Fahnen und Kennzeichen, in der auch die Symbole der syrischen Kurdenorganisationen PYD, YPG, und YPJ mitgenannt werden. Eine nähere Begründung findet sich in dem Rundschreiben nicht.

DER FAHNENSTREIT

Folge davon war, dass nach und nach durch die Versammlungsbehörden das Zeigen der Fahnen und Symbole der PYD, der YPG und YPJ mit der Begründung untersagt wurde, dass es sich um Symbole und Fahnen, die unter das PKK-Verbot fallen, handeln würde. Im Rahmen eines Klageverfahrens vor dem Verwaltungsgericht Berlin gegen eine versammlungsrechtliche Auflage, mit der das Zeigen der Fahnen der syrischen Kurd*innen untersagt wurde, erklärte die Berliner Versammlungsbehörde, dass sie an ihrer Rechtsauffassung nicht mehr festhalte. Die Fahnen seien nur dann noch verboten, wenn diese durch PKK-Anhänger in einer Weise verwendet würden, in der sie objektiv als Ersatzsymbol für verbotene PKK-Kennzeichen anzusehen wären. Infolgedessen wurden seitens der Berliner Polizei auch nur noch entsprechende Auflagen erteilt. Dieser Rechtsauffassung hat sich auch das Verwaltungsgericht Magdeburg (B. v. 08.03.2018- 6 B 125/18 MD) angeschlossen. Auch das VG Gelsenkirchen (B. v. 19.02.2018 – 14 L 337/18) stellt auf den Kontext, in dem die Fahnen gezeigt werden, ab. In einer Entscheidung vom 16. Februar 2018 (10 Cs 18.405) hat der BayVGH klargestellt, dass das Zeigen von Symbolen der YPG, YPJ und PYD nur dann nicht verboten sei, wenn keinerlei Bezug zur PKK oder Abdullah Öcalan hergestellt werde, weil deren bloßes Vorzeigen den Straftatbestand des § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG noch nicht erfülle. Soweit ersichtlich, haben sich dieser die BMI-Auffassung einschränkenden Rechtsauffassung mittlerweile ein Teil der Versammlungsbehörden und Verwaltungsgerichte angeschlossen; einige Versammlungsbehörden gehen dessen ungeachtet immer noch gegen jegliches Zeigen von den Symbolen der syrischen Kurd*innen vor.
Auch seitens der Strafverfolgungsbehörden gibt es bisher noch kein einheitliches Bild. Bundesweit sind aufgrund des Rundschreibens eine Vielzahl von Verfahren eingeleitet worden. Diese reichten von dem Zeigen eines selbstgemalten Transparentes auf einer 1. Mai-Demonstration 2017 mit dem Spruch »Wir danken den Volksverteidigungseinheiten für den Sieg über den IS«, auf dem auch die Symbole der YPG und YPJ abgebildet wurden, bis hin zu dem Teilen von Internet- oder vergleichbaren Links, in denen die entsprechenden Symbole auftauchen, und das Posten der Fahnen auf Facebook. Soweit ersichtlich, wurden in der Mehrzahl der Fälle die Ermittlungsverfahren eingestellt. Nichtsdestotrotz finden an verschiedenen Stellen in der Bundesrepublik immer noch Strafverfahren in diesem Zusammenhang statt.

DAS RUNDSCHREIBEN DES BUNDESMINISTERIUMS DES INNERN

Mit Rundschreiben vom 29. Januar 2018 hat das BMI das PKK-Verbot nochmals erweitert. Ohne dies durch Aufführung neuer Tatsachen zu begründen, sieht das BMI nunmehr das Zeigen jedes Abbildes von Abdullah Öcalan als Verstoß gegen das PKK-Kennzeichenverbot. Bezug nimmt es dabei auf einen Beschluss des OVG Münster (B. v. 3. November 2017 – 15 B 1371/17 und 18 L 5281/17), in dem ausgeführt wird, dass das Zeigen des Bildnisses von Abdullah Öcalan im Rahmen einer Versammlung als Verwenden eines Kennzeichens einer verbotenen Vereinigung i.S.v. § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VereinsG anzusehen sei. Nur wenn das Abbild eindeutig in keiner Weise im Zusammenhang mit der PKK verwendet werde, sondern auf das persönliche Schicksal Öcalans und seine Haftbedingungen aufmerksam gemacht werden soll, unterfalle dieses in Ausnahmefällen nicht dem Kennzeichenverbot. Nach den bisherigen Erfahrungen verbieten die Versammlungsbehörden auch bei Versammlungen zu dem alleinigen Thema ›Freiheit für Öcalan‹ das Zeigen des Abbildes von Öcalan.

Darüber hinaus wird in dem Rundschreiben auf einen sog. ›PKK-Jahreskalender‹ Bezug genommen. Dazu sollen Versammlungen/Veranstaltungen zählen, die der im Januar 2013 in Paris getöteten Anhängerinnen der PKK gedenken, sowie Aktivitäten zum Newroz-Fest, das Zilan-Festival, das Mazlom-Dogan-Festival, das Kurdistan-Kultur-Festival, der Jahrestag der Ausweisung Öcalans aus Syrien und die zum Jahrestag des Verbotes bzw. der Gründung der PKK. Bei diesen soll immer ein PKK-Bezug anzunehmen sein. Weiter wird ausgeführt, dass ein ›PKK-Bezug‹ einer Versammlung auch dann anzunehmen sei, wenn er sich weder nach der Person der Anmelder*innen, noch aus dem Versammlungsmotto, noch aufgrund der heterogenen Zusammensetzung der Versammlungsteilnehmenden, sondern erst aus dem tatsächlichen Verlauf der stattfindenden Versammlung erschließe. Auch bezüglich dieser Erweiterungen des PKK-Verbotes finden sich in dem Rundschreiben keinerlei Tatsachen, die die vorgenommene Neubewertung rechtfertigen könnten.

FOLGE: VERSAMMLUNGSVERBOTE

Die Versammlungsbehörden in Nordrhein-Westfalen, speziell Köln und Düsseldorf, sind sogar noch ein Stück weitergegangen und behaupten, der Dachverband der kurdischen Vereine in Deutschland NAV-DEM (Navenda Civaka Demokratîk ya Kurdên li Almanyayê, Demokratisches Gesellschaftszentrum der Kurd*innen in Deutschland e.V.) sei Teil der PKK und deren Nachfolgeorganisation, so dass diesem das Versammlungsrecht in toto abzusprechen sei. Hiergegen gerichtete Klagen sind anhängig. Erfreulicherweise konnte die Bundesregierung mit dieser absurden Rechtsauffassung bisher bei den Gerichten kein Gehör finden. Das VG Hannover hat mit Beschluss vom 14.03.2018 (10 B 1918/18) das Verbot einer Versammlung zum Newroz-Fest mit der Begründung aufgehoben, dass die bisherigen Newroz-Veranstaltungen keinerlei Anhaltspunkte dafür gegeben hätten, dass diese reine »PKK-Propagandaveranstaltungen« wären. Einige Tage später, am 16.03.2018, hat das VG Köln entschieden (20 L 599/18), dass die von der Behörde bezüglich einer von dem Verein NAV- DEM organisierten Versammlung aufgestellte Gefahrenprognose nicht nachvollziehbar sei und ein Totalverbot nicht rechtfertige.

VERBOT KURDISCHER KUNST UND KULTUR

Von der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet, fanden am 8. März 2018 Durchsuchungen des Mezopotamien-Verlages und des MIR-Musikvertriebes in Neuss/NRW statt. Beide Kulturbetriebe sind spezialisiert auf kurdische Kunst und Kultur, bringen aber auch internationale Literatur in kurdischer Sprache heraus. Hintergrund ist ein vom BMI angestrengtes vereinsrechtliches Verfahren, mit dem geprüft werden soll, ob der Verlag und der Vertrieb dem PKK-Betätigungsverbot unterliegen. Folge davon war der Abtransport des gesamten Bestandes an Büchern, Zeitschriften und Audioträgern, der mehrere LKW-Ladungen umfasste. Eine Differenzierung, ob es sich um ein Buch von Abdullah Öcalan oder eine Übersetzung von Wilhelm Tell handelt, wurde nicht vorgenommen. Gleichzeitig wurde auch die Einziehung sämtlicher Gegenstände und Finanzmittel mit der Begründung angeordnet, dass die von dem Verlag und Vertrieb betriebenen Geschäfte der Finanzierung der PKK dienen würden.

ZWISCHENFAZIT

Die durch die Bundesregierung vorgenommene Erweiterung des PKK-Betätigungsverbotes erfolgte nicht nur ohne Begründung; die Rundschreiben sind mutmaßlich bewusst so offen formuliert, so dass einer willkürlichen und uneinheitlichen Umsetzung Tür und Tor geöffnet wurde. Sie führen nicht nur zu versammlungs- und vereinsrechtlichen Einschränkungen, sondern auch zu einer Erweiterung des Anwendungsbereiches des § 20 VereinsG. Es ist zu erwarten, dass zum Zeitpunkt des Erscheinens dieses Beitrages weitere Repressionsmaßnahmen stattgefunden haben werden. Aber schon aus dieser unvollständigen Aufzählung ist erkennbar, dass die Bundesregierung – während gleichzeitig ein völkerrechtswidriger Angriff der türkischen Armee unter Mithilfe von islamistischen Dschihadisten gegen die kurdischen Siedlungsgebiete in Nordsyrien samt der Vertreibung ihrer Einwohnerschaft stattfindet – den Kurs gegen kurdische Aktivist*innen und Organisationen in Deutschland massiv verschärft, ohne dass nur ansatzweise eine veränderte Sicherheits- oder Erkenntnislage vorliegen würde. Dies allein als Auftragsdienst für Erdoğan oder als Gegenleistung für die Entlassung von Deniz Yücel anzusehen, würde zu kurz greifen. Vielmehr ist dies als weitere Fortführung der immer im gegenseitigen Einverständnis und Absprache erfolgten Repression gegen die kurdische Bewegung in Deutschland und der Türkei anzusehen. Der Flüchtlingsdeal mit der Türkei tut sein Übriges.
Die aufgezählten Beispiele zeigen aber auch, dass mittels juristischer Gegenwehr verhindert werden konnte, dass die Vorgaben der Bundesregierung vollständig in die Praxis umgesetzt werden konnten. So konnten das vollständige Verbot der Symbole der syrischen Kurd*innen und das Verbot des Newroz-Festes gekippt werden. Weitere Verfahren sind noch anhängig. Es ist zu erwarten, dass für die Kolleg*innen, die in diesem Bereich tätig sind, in Zukunft viel zu tun sein wird. Der RAV wird diese Arbeit rechtspolitisch in Zusammenarbeit mit anderen Bürgerrechtsorganisationen unterstützen.